Heute in der FAZ:
Die Anthroposophie ist in der Pandemie im Querdenker-Lager angekommen. Jetzt sucht sie ihr Heil vor Gericht.
Offenbar glaubten die Anthroposophen ernsthaft, dass sie in der Corona-Krise „mit ihrer Impfskepsis endlich in der Mitte der Gesellschaft ankämen“, zitiert FAZ-Autor Hinnerk Feldwisch-Dentrup den Religionswissenschaftler und Anthroposophie-Experten Ansgar Martins:
Stattdessen gibt es so viel kritische Aufmerksamkeit wie vielleicht nie zuvor.
Und das macht die Szene-Protagonisten nervös – und aggressiv.
Wie es in dem Artikel weiter heißt, geht der Waldorfschulen-Bund juristisch gegen den „AnthroBlogger“ Oliver Rautenberg vor „und versucht ihn zu diffamieren“:
Zudem sei es der anthroposophischen Medizin angelegen, sich aus dem „anthroposophischen Getto zu befreien“. Es gebe einen „Masterplan“ zur Akademisierung, erklärt der Religionshistoriker Helmut Zander. Hierzu zähle die Etablierung von Uni-Lehrstühlen, Habilitationsförderungen oder die Schaffung von Förderstrukturen.
Einen ersten Erfolg hätten die Anthroposophen bei den Vereinten Nationen zu verbuchen:
Wie die WHO dieser Zeitung bestätigt, werden dort Standards für die Ausbildung anthroposophischer Ärzte erarbeitet, zusammen mit der Internationalen Vereinigung Anthroposophischer Ärztegesellschaften, finanziert auch von dieser sowie von einer Stiftung. Die Standards reflektierten, was die Anthroposophenärzte als Minimalausbildung ansehen, so ein WHO-Sprecher. Laut Teilnehmern habe die WHO „großes, sympathisches Interesse“ gezeigt – und Respekt.
Wie wenig dieser „Respekt“ angebracht ist, zeigt zum Beispiel die „Schock-Studie“ zu angeblichen Corona-Impfschäden von Prof. Dr. Harald Matthes, Ärztlicher Leiter der anthroposophischen Klinik Havelhöhe in Berlin und Inhaber einer Stiftungsprofessur für integrative und anthroposophische Medizin an der Berliner Charité (wir berichteten hier):
Der Charité-Leitung bereitet er teils Probleme: So mit einer simplen Umfrage zu Nebenwirkungen von Corona-Impfungen, die anfangs unter Homöopathen und Anthroposophie-Anhängern gestreut wurde und bei der mehr als 40 000 Menschen mitgemacht haben sollen.
Dem MDR sagte Matthes, demnach seien vierzigmal so viele schwere Nebenwirkungen aufgetreten wie amtlich bekannt. „Halbe Million Fälle mit schweren Impf-Nebenwirkungen“, titelte die Berliner Zeitung, der MDR berichtigte seinen Bericht später.
Die Charité distanzierte sich – die Umfrage habe methodische Schwächen. So hätten Personen mehrfach und ungeprüft an der Umfrage teilnehmen können, die Ergebnisse könnten völlig falsch sein. Matthes Aussagen überschritten „den Interpretationsspielraum“, die Daten würden sie „nicht belegen“.
Der Charité-Vorstand empfahl Matthes, „die Studie nicht fortzusetzen“. Obwohl die Charité sich den Lehrstuhl finanzieren lässt, sagt eine Sprecherin, diese unterstütze keine Methoden, „für deren Wirkung keine Evidenz besteht“.
Damit ist zur „Anthroposophischen Medizin“ und deren Vertretern wohl alles gesagt.
Der FAZ-Artikel endet mit einem Zitat von Helmut Zander:
Ich vermute, dass mit der Kritik am anthroposophischen Verhalten in der Pandemie eine große Hoffnung enttäuscht wurde, mit einer alternativen Wahrnehmung in der Gesellschaft endlich akzeptiert zu sein.
Im Gegenteil.
Weder mit einer „alternativen Wahrnehmung“ noch mit „Meteoreisen“-Globuli gegen Covid-19 noch mit Prozessen gegen Kritiker werden die Anthroposophen irgendeine Akzeptanz erreichen.
Zum Weiterlesen:
- Anthroposophie : Mit Globuli und mystischen Ideen gegen Krankheitserreger, FAZ am 15. August 2022
- Video mit Nora Pösl: „Wieso die Anthroposophie für Querdenker und rechte Ideologie anfällig ist“, GWUP-Blog am 25. August 2021
- Wieviel Anthroposophie steckt in den neuen Corona-Protest-Parteien? Anthroposophie.blog am 7. Mai 2021
- heute-show-Video: „Waldorf aktuell – Corona Spezial“, GWUP-Blog am 15. Mai 2021
- Anthroposophie: Der esoterische Arm der Querdenken-Bewegung? GWUP-Blog am 7. Mai 2021
- Video: Die Waldorfbewegung und die Corona-Krise, GWUP-Blog am 12. Februar 2021
- Studie: Anthroposophie und Alternativszene als Triebfedern der „Querdenken“-Bewegung, GWUP-Blog am 28. November 2021
- Die „Schock-Studie“ der Charité zu Corona-Impfschäden: Viel Lärm um wenig, GWUP-Blog am 7. Mai 2022
- Dr. Hegedüs zur „Schock-Studie“ der Charité über Impfschäden, GWUP-Blog am 10. Mai 2022
- Anthroposophische Krankenhäuser behandeln Covid-19 mit Meteorstaub und Ingwer, Belltower News am 13. Januar 2021